Laut und gemeinsam

Auf der Suche nach den Kinderrechten

Workshops zum Thema Kinderrechte und zu vielen anderen Themen gibt's in der WIENXTRA-Stadtbox 

Mit Bildern von Kindern aus armen Ländern, die ihrer Rechte beraubt sind, scheinen Kinderrechte weit weg vom Alltag der Kinder, die in Wien leben. Was hat das alles mit ihnen zu tun? Welche Bedeutung haben Kinderrechte für sie? Schüler_innen einer Volksschulklasse wollen es herausfinden und besuchen den neuen Workshop in der WIENXTRA-Stadtbox. Die „Entdeckungsreise Kinderrechte“ lockt Schulkassen und Gruppen von der 2. bis 6. Schulstufe in die Seestadt und verspricht eine interaktive und spielerische Suche nach ihren Rechten. 

Die Schüler_innen des heutigen Workshops kommen komfortabel mit der U2 in die Seestadt. Wie viele andere Schulklassen aus allen Wiener Bezirken reisen sie an, um das Angebot der Stadtbox zu nutzen, die gleichzeitig mit der angrenzenden städtischen Bücherei im Herbst 2021 eröffnet hat. An der Seepromenade gegenüber dem Eingang zur U-Bahnstation legt die Klasse einen kurzen Halt ein. Worauf sich die Schüler_innen an diesem Nachmittag für die nächsten 2,5 Stunden einlassen, ist noch unklar: „Ich weiß auch nicht, was uns da genau erwartet.“, hört man eine der Lehrerinnen noch sagen, bevor die Klasse weitergeht. 

Die Entdeckungsreise beginnt

Was soll man sich unter einer Entdeckungsreise auch vorstellen. Wie und wo kann man Kinderrechte entdecken? Stecken sie womöglich in jeder und jedem von uns? An diesem Novembertag liegt einiges im Verborgenen. Zähe Nebelschwaden verdecken den Blick auf die Hochhäuser der Seestadt. Gleichzeitig schärfen sie der Blick für alles, was direkt vor der Nasenspitze liegt. In der Umgebung der Stadtbox scheint es alles zu geben, was ein Kinderherz begehrt. 

Der kurze Fußweg von der U-Bahnstation zur Stadtbox führt an Baustellen und brachliegenden Bauflächen vorbei. An einem Ort, wo die Entstehung der Stadt ein dominanter und täglich erlebbarer Teil des Alltags der Bewohner_innen ist, wundert es nicht, dass sich die jüngste Einrichtung von WIENXTRA mit Stadtgestaltung und Partizipation beschäftigt. Wo jeden Tag auf einer Baustelle ein neues Stockwerk zu entstehen scheint, wachsen auch viele Ideen. Geleitet von der Frage, was es für ein gutes Miteinander in der Stadt alles braucht, lädt die Stadtbox junge Menschen zum Lernen, Gestalten und Miteinander ins Tun kommen ein. Und wer sich fragt, was Kinder für ein gutes Leben brauchen, kommt früher oder später bei den Kinderrechten an. 

Gemeinsam auf Spurensuche

Die Schüler_innen sind etwas zu früh dran. Michi Silbergasser und Katy Hofer von der Stadtbox warten aber schon an der Tür und empfangen ihre Workshop-Teilnehmer_innen herzlich. Im Team haben sie gemeinsam mit Stadtbox-Leiterin Alexandra Beweis und Kollegin Kerstin Siegner den Workshop entwickelt. „Weil es wichtig ist, dass Kinder wissen, dass sie Rechte haben, denn die Rechte nützen nichts, wenn man sie nicht kennt.“, betont Michi. Eine kindgerechte Aufbereitung der Kinderrechtskonvention, bestehend aus 54 Artikeln, ist schon eine gewisse Challenge. Das Team hat sich gefragt, wie sie tief in das Thema eintauchen und dem Ganzen die Schwere nehmen können. „Wir haben den Workshop bewusst locker und verspielt gestaltet. Wenn über Kinderrechte gesprochen wird, dann wird oft der Mangel thematisiert. Wir regen zum Tun an und zeigen im Workshop, was die Kinder haben, was ihnen gehört, was ihre Rechte sind. Wichtig ist uns dabei, dass der Fokus ganz klar bei den in Wien lebenden Kindern liegt.“, erklärt Katy.

Ob das Konzept aufgegangen ist, erleben die Schüler_innen gleich. Michi und Katy führen die Kinder in den hellen Veranstaltungssaal und setzen sich mit ihnen im Kreis zusammen. Die Schüler_innen haben schon einen intensiven Vormittag mit Mathe-Schularbeit hinter sich, zeigen dennoch keine Spur von Ermüdung. Wachsam und mit großem Interesse sind sie dabei: Marco, Ryan, Elena, Mona, Paul und alle anderen, sie alle haben einen Namen. Warum das etwas Besonderes ist und wichtig, dass man einen hat, finden die Kinder schnell heraus. Nun ist klar, Kinder haben ein Recht darauf, einen Namen zu bekommen und schon befinden sich die Schüler_innen mitten im Thema. Bereits nach fünf Minuten erleben sie, dass Kinderrechte eigentlich überall und immer da sind und direkt mit ihnen zu tun haben. Was bedeutet eigentlich Recht? „Etwas, das man darf!“, meldet sich eine Schülerin und Katy betont, es ist etwas, das man nicht nur darf, sondern haben muss! Im Gespräch mit den Kindern nähern sich Michi und Katy an die Kinderrechte heran, tasten sich vorwärts. Schnell sind die Schüler_innen in eine Diskussion vertieft und erarbeiten gemeinsam Schritt für Schritt die wichtigsten Begriffe rund um Kinderrechte. 

Rein ins Workshopvergnügen

Dann wird gespielt. Das Setting wechselt im Laufe des Nachmittags mehrmals. Anhand von 6 Spielstationen erleben die Kinder mit allen Sinnen, wo im Alltag ihre Rechte stecken. Es wird geraten, geschrien, pantomimisch dargestellt und vieles mehr. Die Schüler_innen sind ganz bei der Sache und haben intuitiv ein gutes Bild davon, was jeweils gemeint ist. Beim Recht auf Schutz vor Diskriminierung nennt ein Bub gleich ein Beispiel: „Wenn Buben Fußball spielen und sagen, ein Mädchen darf nicht mitspielen. Und das, obwohl Mädchen eigentlich viel besser Fußball spielen können als Jungs.“ Wofür ist ein Kinderzimmer wichtig? Darf die Mama in mein Handy schauen und meine Nachrichten lesen? Die Kinder erzählen von eigenen Erlebnissen und verknüpfen die Rechte mit ihrem Leben. Bei einer Spielstation, dem Kinderrechte-Quiz, zeigen sich die Schüler_innen von einer Antwort aber besonders verblüfft: Kinder gehören niemanden – nicht einmal den Eltern! Die absolute Highlight-Station ist eine Art Schreikonzert. Dabei sollen die Kinder laut sein, müssen es sogar – über eine Mauer von schreienden Kindern soll eine Gruppe hinwegbrüllen und eine weitere Gruppe soll die gebrüllten Begriffe verstehen. Es klappt erstaunlich gut. „Privatsphäre“, „Kinderzimmer“, „Entscheidungen treffen“ sind die Begriffe, die die Zuhörer-Gruppe aus dem Schreikonzert richtig heraushört. Ja, für Kinderrechte muss auch manchmal die Stimme erhoben werden. 

Alle Aufgaben in den Spielstationen sind auf Kooperation hin ausgerichtet. Einmal wird im Spiel gemeinsam als kleine Gruppe gearbeitet und dann wieder als ganze Klasse. „Gemeinsam ist es eben besser!“, betont Michi. „Wir wollen damit auch vermitteln, dass es den Zusammenhalt und die Gemeinschaft braucht, damit Kinderrechte zur Geltung kommen. Es braucht uns alle, um sich für Kinderrechte stark zu machen.“

Am Ende des abwechslungsreichen Workshops haben die Kinder ihre Rechte in der Stadt platziert, als Häuschen auf einem Stadtplan. Sie haben einen Nachmittag lang gemeinsam und spielerisch Aufgaben gelöst und einiges über sich, ihre Klassengemeinschaft und über ihre Rechte als Kind erfahren. Sie haben gelernt, dass Kinderrechte für alle Kinder gelten, aber nicht von sich ausgegeben sind, sondern wir Menschen sie untereinander aushandeln und niederschreiben. Diese Erkenntnis schafft bei den Schüler_innen das erste Verständnis für Politik. Mit dem neuen Workshop leistet die Stadtbox damit auch einen Beitrag für Demokratiebildung. 

Die Schüler_innen begeben sich wieder auf den Rückweg in ihre Schule. Stille macht sich in der Stadtbox breit. Und ein Gedanke schwebt in der Luft. Kinderrechte gelten nicht für Kinder irgendwo da draußen, sie gelten für die Kinder, mit denen wir morgens gemeinsam Frühstücken, den Sitzplatz neben uns in der U-Bahn teilen, sie gelten für all die Kinder, mit denen wir zusammen in dieser großen Stadt leben.

Kinderrechte brauchen uns alle

Und es braucht uns alle für die Kinderrechte! In Wien können wir darauf vertrauen, dass unabhängige Kinderschutzorganisationen die Kinderrechte auf ihrer Agenda haben. Es gibt die Wächter über die Kinderrechte. Aber sind wir nicht alle gefragt, darauf zu achten, dass die Rechte unserer Kinder gelebt werden? In jedem Moment steckt eine Chance, die Rechte unserer Kinder zu sehen und zu wahren. Und sie von den Kindern einfordern zu lassen. Es liegt an uns Erwachsenen, ihnen den Raum zu schaffen, wo sie ihre Rechte zugestanden bekommen. Das ist unsere Pflicht.

Kathrin Hofer

Kathrin Hofer
WIENXTRA-Stadbox
kathrin.hofer@wienxtra.at

Michael Silbergasser

Michael Silbergasser
WIENXTRA-Spielebox
michael.silbergasser@wienxtra.at

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