Soziale Arbeit

  • AutorInnen: Ullrich Deller / Brake Roland
  • Budrich, 2014
  • Fachgebiet:
  • Soziale Arbeit

Rezension:

Gibt man bei Amazon oder Google die Stichworte „Soziale Arbeit“ ein, erhält man eine unüberschaubare Fülle an Literatur. In diesem Jahr ist zu dieser Fülle ein weiteres Buch hinzugekommen: Ein grundlegendes Einführungswerk von Ulrich Deller und Roland Brake, die beide an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Aachen lehren.

Die beiden Autoren tragen mit diesem Buch dem Umstand Rechnung, dass Soziale Arbeit als Profession schon lange etabliert und aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist. Zugleich hat Soziale Arbeit auch mit Herausforderungen zu kämpfen.

Um diesen gut begegnen zu können, wollen Deller und Brake „mit einer grundlegenden, praxisorientierten und an einigen Stellen anspruchsvollen Einführung in die Soziale Arbeit unterstützen.“

Ich habe dieses Buch als jemand gelesen, der seit mehr als zehn Jahren in der Sozialen Arbeit tätig ist, ohne jedoch eine formale Ausbildung in den Bereichen Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik zu haben. Somit habe ich es auch als (Quer-)Einsteiger gelesen, der sich einen fachspezifischen Überblick verschaffen möchte.

Und das kann man mit diesem Buch gut. In Kapitel 1 sortieren die Autoren den Begriff der „Sozialen Arbeit“ ein. Sie spannen dabei den Bogen von der Sozialen Arbeit als "lebensweltorientierte Soziale Arbeit“ über die „sozialraumorientierte Soziale Arbeit“ bis hin zur Sozialen Arbeit „als Hilfe“. Sehr ausführlich und übersichtlich zugleich stellen Deller und Brake dabei auch die Praxisfelder der Sozialen Arbeit nach drei verschiedenen Gliederungsmöglichkeiten dar. Es wird deutlich, wie stark die Profession der Sozialen Arbeit ausdifferenziert ist und dass eine Gesellschaft heute ohne diese Berufsfelder nicht mehr vorstellbar ist. Für ein Grundverständnis der Profession Sozialer Arbeit werden dann schließlich vier Handlungslogiken vorgestellt:

- Organisierter Austausch für individuelle Not: Fürsorge

- Soziale Einbindung durch seelische Gesundheit: Therapie

- (soziale) Selbstwirksamkeit: Bildung

- Politik

So endet Kapitel 1 mit der Folgerung, dass „SozialarbeiterInnen ExpertInnen für gesellschaftliche Integration [sind]. Sie bedienen sich dabei unterschiedlicher Handlungsorientierungen, die im Licht der Perspektive „gesellschaftliche Integration“ eine spezifische Ausrichtung erfahren: Ausgleich für individuelle Not, seelische Gesundheit, Bildung und Teilhabe an der Macht.“ (S. 54)

Nach dieser ausführlichen Begriffsbestimmung und der Beschreibung der weiten Einsatzfelder leiten die Autoren in Kapitel 2 „Anforderungen an die Profession Soziale Arbeit“ ab. Sie tun dies durch eine Sichtung und Darstellung der Literatur zu diesem Thema und durch die Unterscheidung „Beruf“ und „Profession“, mit der dieses Kapitel beginnt. In der Darstellung der Kontroversen rund um Kompetenzen „Sozialer Arbeit“ zeigt sich eine Stärke dieses Buchs, da es verschiedene Positionen der „Kompetenzdebatte“ aufzeigt und dadurch Studierende einlädt, sich selbst eine eigene Position zu den Kompetenzen zu erarbeiten. Dieses Kapitel ist recht schmal gehalten, wobei es zahlreiche Zitate und Literaturverweise gibt, die ein tieferes Einsteigen in die Thematik ermöglichen.

Es folgt ein mit etwa 30 Seiten sehr gut komprimierter Überblick über die Geschichte der Sozialarbeit und der Sozialpädagogik, beginnend mit der Armenfürsorge im Mittelalter bis hin zur Rolle der Sozialen Arbeit nach 1945. Für den Bereich der Sozialpädagogik vom Anfang des Pädagogischen und der Rolle der Aufklärung bis hin zu prominenten

Vertretern wie August Hermann Francke, Johann Heinrich Pestalozzi und Johann Heinrich Wichern. Folgerichtig an die Geschichte der Sozialarbeit und Sozialpädagogik schließt dann Kapitel 4 mit der Entwicklung der sozialen Ausbildung an. Dabei wird auch hier ein weiter Bogen gespannt, von den ersten Anfängen mit Alice Salomon bis hin zum Bologna-Prozess und der aktuellen Ausbildungssituation an (deutschen) Hochschulen.

Es wird ein weiterer positiver Aspekt dieser Einführung deutlich: Sie stellt Theorien und Konzepte immer auch in der historischen Perspektive und unter Einbeziehung der ProtagonistInnen der Zeit dar, was nicht nur im Fall von Alice Salomon Lust macht, sich mit der ein oder anderen Person intensiver zu beschäftigen.

Nachdem also mit dem geschichtlichen Abriss der interessante Grundstein gelegt ist, wendet sich das Buch nun den „Theorien und Ansätzen“ (Kapitel 5) und den „Methoden“ (Kapitel 6) Sozialer Arbeit zu. Auf weniger als 30 Seiten bieten die Autoren einen kompakten und kurzen Überblick über die wichtigsten VertreterInnen der Wissenschaft Sozialer Arbeit und deren Theorien: Scherpner, Rössner, Otto, Thiersch, Wendt, Staub-Bernasconi und Khella werden prägnant mit ihren wichtigsten theoretischen Aspekten abgehandelt.

Die „Methoden Sozialer Arbeit“ geben schließlich in Kapitel 6 einen Überblick, der auf dem „Dreigestirn“ der Sozialen Arbeit aufbaut: soziale Einzelhilfe, soziale Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit. Zusätzlich werden in eigenen Kapiteln die Themen/Methoden Gruppendynamik, psychoanalytische, kommunikationstheoretische, klientenorientierte und systemische Ansätze behandelt. Wer einen raschen und nicht ganz so tiefen Überblick zu diesen Methoden braucht, der wird hier fündig. Die Gemeinwesenarbeit ist dabei mit etwas mehr als acht Seiten am Ausführlichsten beschrieben.

Kapitel 7 widmet sich den Trägern Sozialer Arbeit in Deutschland und erscheint damit auf den ersten Blick etwas sperrig. Allerdings ist dieses Kapitel notwendig und passend zu Kapitel 1, denn so vielfältig die Angebote Sozialer Arbeit sind, so vielschichtig und unübersichtlich ist die Anzahl der Träger in Deutschland. Auch hier wird zuerst ein kurzer historischer Abriss als Einstieg gewählt, bevor öffentliche, freie und gewerbliche Träger dargestellt werden.

Ohne Frage wichtig aber aus meiner Sicht dann doch etwas zu komprimiert schließt Kapitel 8 „Ökonomie und Soziale Arbeit“ dieses Buch ab. Fokussiert wird dabei auf die besonderen Aspekte des Sozialmanagements sowie auf alte und neue Managementtechniken. Hier hätte ich weitere Aspekte, wie z.B. sich ändernde finanzielle Rahmenbedingungen (Kennzahlen, Controller-Logik) in Zeiten globaler Märkte erwartet, da diese auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Soziale Arbeit und das Management haben.

Das Buch ist insgesamt eine sehr gelungene Einführung für alle, die sich mit dem Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit beschäftigen wollen und auch für jene, die schon in der Sozialen Arbeit tätig sind und ihr Fachwissen auffrischen wollen.

Die Mischung zwischen Begriffsbestimmungen, Theorien, Geschichte, Methoden bis hin zu einzelnen Managementaspekten bietet eine Fülle von Fakten, Anregungen und Literaturhinweisen. Das Buch beschreibt die Anfänge bis hin zum aktuellen status quo – gewünscht hätte ich mir zusätzlich einen Ausblick auf Herausforderungen der Zukunft und aktuelle Diskurse, darunter auch Hinweise auf neue Möglichkeiten Sozialer Arbeit, die in und mit den Digitalen Medien stattfinden und Hinweise auf die Themen „Kritischer Sozialer Arbeit“, die sowohl in Deutschland wie auch in Österreich die Diskussion innerhalb der Profession bereichern.

Rezensiert von Stefan Kühne, Leiter der wienXtra-jugendinfo und wienXtra-soundbase.

In Kooperation mit
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