Interview mit unseren Spielexpert_innen

Oktober 2022

Gemeinsam Verlieren macht Spaß!

Bei Gesellschaftsspielen geht es schon lange nicht mehr nur ums Gewinnen oder Verlieren. Geschicklichkeit üben, miteinander kooperieren und gemeinsam eine Aufgabe lösen sind im Fokus von vielen Spielen, die gerade im Trend liegen. Johanna France und Stefan Graf sind Spieleexpert_innen bei der WIENXTRA-Spielebox und gerade von der weltweit größten Publikumsmesse für Gesellschaftsspiele zurück. Zahlreiche Spiele haben sie mit nach Wien genommen, sie werden in die Spielebox inventarisiert und können bald kostengünstig ausgeborgt werden.  Über welche Weltpremieren sie besonders gestaunt haben und welche Trends sie bei Kinderspielen erkennen, verraten die beiden in einem Interview.

Was sind die aktuellen Trends bei Kinderspielen? Was ist derzeit besonders auffällig?

Johanna: Besonders beliebt bei Kinderspielen sind sowohl Kooperations- als auch Memospiele. Bei kooperativen Spielen treten wir gemeinsam gegen das Spiel an, was in vielen Familien sehr beliebt ist und auch hilft, wenn die ein oder andere Person am Tisch nicht so gerne verliert. Memospiele haben den Vorteil, dass Kinder dabei oft besser abschneiden als Erwachsene und so das Zusammenspiel gut funktioniert.
Escape Room & Detektivspiele sind bei Erwachsenen seit Jahren sehr erfolgreich und das Thema ist jetzt auch im Kinderspielbereich angekommen. Und das vollkommen zu Recht. Diese Spiele sind oft sehr dynamisch und interaktiv und eröffnen für Kinder eine ganz neue Spielewelt.

An welchen Spielen könnt ihr zurzeit nicht vorbei? Was fasziniert euch daran und für wen eignen sie sich besonders? 

Stefan: Bei den Kinderspielen ist „Zauberberg“ gerade der absolute Renner. Die Murmelbahn, als Ausgangspunkt für ein kooperatives Spiel, hat einen hohen Aufforderungscharakter. Ein Spiel, bei dem sowohl Kinder, als auch Erwachsene sehr viel Spaß haben. Das Kartenspiel „Hâpy Families“ macht aus dem bekannten Quartettspiel ein taktisches Merkspiel – auch hier ist Spielspaß für die ganze Familie angesagt. Sehr innovativ ist das Spiel „Challengers“, bei dem die Spieler_innen mit ihren Kartendecks im Turniermodus gegeneinander antreten. Das ist richtig genial, weil es sehr interaktiv ist, niemand lange warten muss und es so viele Möglichkeiten gibt das eigene Team zusammenzustellen. Unter den Strategiespielen ist „Arche Nova“ derzeit mein absolutes Highlight. Das Spiel ist eine komplexe Zoosimulation, bei der Artenschutz und Ticketverkauf sich die Waage halten müssen. Und natürlich „Merchants Cove“, ein Handelsspiel, bei dem alle Spieler_innen in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Jede Rolle spielt sich komplett anders und es macht unglaublich viel Spaß die einzelnen Fähigkeiten der Charaktere auszuprobieren.

Welche Spiele habt ihr von der Spielemesse mit nach Wien genommen und warum?

Stefan: Sehr viele (lacht). Eine ganz bunte Mischung: Strategiespiele, Sprachspiele, Kinderspiele und Reaktionsspiele – da ist für alle was dabei. Und es trudeln laufend neue Spiele bei uns ein.

Johanna: Ein paar Highlights sind bis jetzt das kleine „Order Overload: Cafe“ (Oink Games), ein lustiges und richtig herausforderndes kooperatives Merkspiel, „Applejack“ (The Game Builders), ein taktisches Legespiel mit Apfelbäumen und „Pingu Springu“ (Blue Orange), ein kooperatives Geschicklichkeitsspiel mit tollen Pinguinen.

Bei den Spieleveranstaltungen in der WIENXTRA-Spielebox seid ihr sehr nah an der Zielgruppe. Welche Spiele kommen bei den Kindern und Familien besonders gut an?   

Johanna: Das ist sehr unterschiedlich. Wie bei so Vielem ist das eine volle Geschmacksfrage. Manche Kinder spielen am liebsten Geschicklichkeitsspiele, andere lieben Reaktionsspiele und manche bevorzugen kooperative Spiele.

Anziehend wirken Spiele, bei denen sich was bewegt bzw. Spiele, die einen tollen 3D-Aufbau oder faszinierendes Material haben. Das springt schnell ins Auge, sodass man gleich losspielen möchte. Das Spiel dazu sollte aber natürlich trotzdem spannend sein, damit der Spielspaß lange anhält.

So viele Neuerscheinungen können schnell überfordern. Welchen Tipp gebt ihr, wie man das richtige Spiel für sich findet?

Stefan: Auf jeden Fall ausprobieren! Wenn man das Spiel gemeinsam testet, merkt man am schnellsten, ob das Spiel etwas für einen ist. Bei uns in der WIENXTRA-Spielebox kann man sich die Spiele anschauen und ausborgen, bevor man sie kauft. Wir geben auch gerne Empfehlungen, wenn jemand ein neues Spiel sucht.

Johanna, du bist seit Sommer 2021 auch Jurymitglied für den Kritiker_innenpreis „Kinderspiel des Jahres“, einer renommierten Auszeichnung in der Spiele-Branche. Worauf achtest du bei deiner Wahl für das Kinderspiel des Jahres? 

Johanna: Viele verschiedene Faktoren spielen für mich rein. Die wichtigste Frage ist, ob das Spiel Spaß macht und für die Kinder interessant ist, vor allem langfristig. Und es sollte in irgendeiner Form neuartig, innovativ oder außergewöhnlich sein.

Dann sollte es für die Zielgruppe das richtige Maß an Herausforderung bieten, sodass es nicht zu einfach ist, aber gleichzeitig auch nicht überfordert.

Abgesehen davon, gibt es einige eher technische Aspekte, die wichtig sind: Funktioniert das Spiel so wie soll? Ist das Spielmaterial hochwertig und, besonders bei einem Kinderspiel, auch etwas robuster? Ist die Spielanleitung verständlich? Wie ist der Einstieg ins Spiel? In welchen Spielrunden klappt es gut? Kann man es eher nur mit Erwachsenen gemeinsam spielen oder funktioniert es auch, wenn Kinder alleine spielen?

Konkurrenz elektronische Spiele: Würdet ihr sagen, analoge Spiele sind die besseren Spiele?

Johanna: Meiner Meinung nach ist es nicht notwendig, die zwei Arten von Spielen gegeneinander „auszuspielen“. Analoge und digitale Spiele haben beide ihre Vorzüge und erfüllen unterschiedliche Bedürfnisse bei Spieler_innen. Analoge Spiele sind meist etwas sehr Soziales und oft auch kognitiv fordernd, dasselbe gilt für viele digitale Spiele aber genauso. Gleichzeitig ist es auch nichts Schlechtes, wenn eine Person mal lieber alleine ein Abenteuerspiel auf der Konsole spielen möchte. Deshalb finde es super, dass beides nebeneinander existieren kann, damit alle möglichen Spielbedürfnisse je nach Stimmung abgedeckt werden können.

Gibt es eigentlich auch Brettspiele, die man alleine spielen kann? 

Johanna: Ja, die gibt es, sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene. Bei Kindern stehen bei Solospielen primär Logikspiele im Fokus, die mehr Rätsel, als Spiel sind. Wenn das Kind sowas mag, dann ist es super und eine coole Art logisches Denken zu fördern. Abgesehen davon gibt es auch einige Spiele, bei denen man eigentlich kooperativ spielt, die man, zumindest theoretisch, auch alleine spielen kann. Für Erwachsene gibt es neben Logikspielen mittlerweile eine große Vielfalt an Strategiespielen, die auch einen Solomodus haben.  

Johanna France

Spielpädagogin
WIENXTRA-Spielebox
johanna.france@wienxtra.at

Stefan Graf

Spielpädagoge  
WIENXTRA-Spielebox
stefan.graf@wienxtra.at

In Kooperation mit
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