Weltwissen der Siebenjährigen. Wie Kinder die Welt entdecken können

  • AutorInnen: Donata Elschenbroich
  • Goldmann, 2002
  • Fachgebiet:
  • Allgemeine Pädagogik
  • Zusatzinformationen:
  • 9. Auflage

Rezension:

Die Autorin hat es sich Ende des letzten Jahrtausends zum Ziel gesetzt, die gesellschaftlichen Ideen von Bildung im Vorschulalter in ihrer Spanne festzuhalten und in ein System zu bringen, was im letzten Teil des Buches in Form von Bildungsminiaturen, u.U. „Best Practise“ Beispielen geschieht.

Zwischen 1996 und 1999 wurde in 150 Gesprächen eine Weltwissensliste erstellt, die auch Überarbeitung erfuhr. Die Frage war, auf welche elementaren Erfahrungen ein_e Siebenjährige_r aufbauen können sollte. Dabei treffen Kernaussagen aufeinander von dem was Kinder schon wissen, beiläufig gelernt haben, was man voraussetzen kann und was ihnen zu wünschen wäre.

Die Liste enthält zum Beispiel Anregungen, wie „die Farbe der eigenen Augen kennen, ein Selbstportrait gemalt haben“; „gewinnen wollen und verlieren können“ ,; „ein Buch von Deckel zu Deckel kennen“; sowie „etwas repariert haben, bzw. die Frage beim Kaufen wichtig finden: Kann das Repariert werden“

Bei der Überarbeitung kommen auch hochkarätige Wissenschaftler_innen, sowie Pioniere_innen und Geistliche zu Wort. Diese Interviews sind im Kapitel zwei nachzulesen.

Gemäß den drei großen philosophischen Fragen (Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was ist der Sinn meines Lebens?) habe ich diese drei Titel der Bildungsminiaturen herausgepickt:

„Jedes Siebenjährige sollte gefragt haben können, wie Leben entsteht. Jeder Junge, jedes Mädchen sollte wissen, wie sich ein Baby anfühlt. Jedes Kind sollte in seinen Erinnerungen und Phantasien über das Leben vor der Geburt bestärkt werden.“

„Jedes siebenjährige Kind sollte sagen können: Das kann ich ziemlich gut, denn ich habe es geübt. Das möchte ich können. Das werde ich üben.“

„Jedes Kind sollte sich als einen unwillkürlichen Weltverbesserer erlebt haben.“

Helmut Koerner, ein renommierter Erwachsenenbildner mit eigenem Unternehmen, spricht das Thema „Resilienz“ an. Er nennt es: „Aus mehreren Quellen leben können“.
Kinder sind hochtourige Lerner, im Sinne von Sammler_innen und Forscher_innenn. Dass informelles und formelles Lernen manchmal auseinander klaffen, wird im Buch auch am Beispiel Schule angeführt.
Weiters ist der Blick über den Tellerrand interessant: Im letzten Kapitel wird auf die Bildungskultur und Einstellung zur Kindheit in den USA, in Japan, in England und in Ungarn eingegangen.
Franz Weinert vom Max-Plank-Institut in München meint, dass Elternbildung im deutschen Sprachraum auf einem niedrigen Niveau sei und er ortet Defizite in der öffentlichen Behandlung von Erziehungsfragen. So gesehen, könnten wir von den Amerikanern mit dem „emergent curriculum“, den „Early Excellence Centers“ aus England, etwas lernen. 

Überrascht war ich, dass Comenius bereits Mitte/Ende des 17. Jahrhunderts in seinen zwei Werken zur Erziehung erstmal einen „Kanon des Weltwissens“ für Kinder zusammengestellt hat, der neben Sachwissen auch zentralen Aspekte, wie Sensorik(„Nicht nur mit dem Kopf soll gelernt werden, Gemüt und Hände sind beteiligt“), Forscher_innengeist, Fantasie, und Moralentwicklung anspricht. Für Kinder wünschte er sich nicht nur eine Aneignung der alltäglichen Welt, sondern einen fernen Horizont – also auch ein aufgeschlossener Blick auf andere Kulturen.

Wenn auch in der ersten Liste manche Äußerungen von Interviewpartner_innen etwas überholt bzw. zu hoch angesetzt erscheinen, so halte ich es für wichtig das Gespräch über Lernen im Vorschulalter nicht abreißen zu lassen. Viel mehr: wir alle können einen Teil dazu beitragen, sei es jetzt öffentlichen Diskurs oder indem man sich seiner Vorbildwirkung für Kinder im Kontakt mit ihnen bewusst wird.

Rezensiert von Lydia Schadlofsky, Kindergartenpädagogin 

In Kooperation mit
XS SM MD LG